Warum Selbstsorge wichtig für guten Sex sein kann

August, 2020 von Ilona Kofler in Wie du sofort besser für dich sorgen kannst

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Ich bin dermaßen genervt und erschöpft, dass ich so gar keine Lust mehr habe und abends am liebsten sofort allein ins Bett gehen möchte…“

Diesen Satz hat vor ein paar Wochen einer meiner Klienten, Christian* beim telefonischen Erstgespräch zu mir gesagt.

Diese ziemlich heftigen Worte waren ein Schlüsselsatz in diesem Gespräch. Warum? Weil er so viel mehr aussagt, als auf den ersten Blick erkennbar.

Dieser Satz beinhaltet eine ganze Palette an Geschichten, Erfahrungen, Erinnerungen. Er sagt viel aus über Werte, Vorstellungen und Glaubenssätze.

Was hat das alles mit Selbstfürsorge zu tun?

 

 

Wenn wir etwas tiefer graben, können wir erkennen, dass wir oftmals schon als Kinder verlernt haben bzw. verlernen mussten, auf unsere Bedürfnisse zu hören. Manchmal wurden wichtige Bedürfnisse auch schlicht nicht befriedigt.

 

 

Meine eigene Geschichte und meine Erfahrungen zeigen mir, dass Menschen, die schon früh gelernt haben, dass die eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten nicht wahrgenommen bzw. ernst genommen wurden, es später im Leben nicht „können“.

 

 

Aber es ist doch egoistisch, nur an sich und seine Bedürfnisse zu denken.“

 

 

Auch dies ein Satz, den ich in meiner Arbeit mit überforderten Menschen oft höre.

Und da sind wir wieder bei den Wertvorstellungen und Glaubenssätzen. Wer sagt das? Woher kommt dieser Satz, der uns daran hindert, uns und unsere Bedürfnisse wichtig zu nehmen?

Es lohnt sich wirklich, sich diesen Fragen zu stellen und den Motiven des eigenen Verhaltens auf den Grund zu gehen!

Was heißt nun also Selbstfürsorge?

Schon der französische Philosoph Foucault hat die Idee der Selbstsorge der Hellenen Platon und Sokrates, in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgegriffen und weitergeführt. Er meint u.a., „dass das Konzept der Selbstsorge eine Möglichkeit ist, sich in der Institution eine innere Freiheit zu bewahren…“ (www.sivus-online.de)

Der Psychoanalytiker Prof. Dr. med. Joachim Küchenhoff fasst den Begriff der Selbstsorge treffend so zusammen:

Selbstsorge meint die Fähigkeit, mit sich gut umzugehen, zu sich selbst gut zu sein, sich zu schützen und nach sich selbst zu schauen, die eigenen Bedürfnisse zu berücksichtigen, Belastungen richtig einzuschätzen und sich nicht zu überfordern.“

 

 

Selbstfürsorge heißt somit auch, die eigenen Grenzen zu kennen und sie (besonders in der Interaktion mit anderen) zu wahren.

Dazu passt auch gut dieser Satz:

Menschen, die sich in einem Zustand des ausgebrannt Seins befinden, haben über eine lange Zeit ihre persönlichen Grenzen nicht gewahrt und zu wenig oft Nein gesagt.“ (Burn-out Sprechstunde, A. Rümke, Verlag Urachhaus)

 

 

Nein ist auch ein Wort, das Christian* sehr schlecht über die Lippen bringt. Er möchte niemanden verletzen und es allen recht machen, er möchte gemocht und beliebt sein.

 

 

Schon seine Eltern, so erinnert er sich, haben nicht für sich selbst einstehen können. „Die anderen waren immer wichtiger als das, was man selbst wollte.

Das kann mit ein Grund sein, dass er sich selbst und seinen Bedürfnissen zu wenig Aufmerksamkeit schenkt und immer zuerst an das Wohlbefinden der anderen denkt.

 

 

Aber es gibt gute Nachrichten:

Auch wenn wir von Kindesbeinen an verlernt haben, dass wir und unsere Bedürfnisse wichtig sind – Selbstfürsorge kann Mann bzw. Frau wieder lernen. Es ist wie mit allen Dingen, die wir neu lernen: Wir brauchen etwas Übung und vor allem viel Geduld mit sich selbst.

 

 

Als Einstieg eine simple, aber deshalb nicht weniger wirkungsvolle Übung:

  • Nimm dir ein leeres Blatt Papier und einen Stift zur Hand und schreibe auf die eine Seite ein großes JA und auf der anderen Seite ein großes NEIN
  • Nun halte dir nacheinander erst die eine Seite, dann die gegenüberliegende in einer Armlänge Abstand vor die Augen
  • Was macht das NEIN mit der dir zugewandten Seite mit dir?
  • Und was sagt dir dein JA zu dir?
  • Nimm dir Zeit für beide und beobachte die Gedanken, die dir dabei in den Sinn kommen.

 

Eine andere Methode, die immer wieder für AHA-Momente in der Arbeit mit überlasteten Klienten sorgt:

Schreib dir in einer ruhigen Minute einmal alle deine Bedürfnisse auf. Mache dir bewusst, worauf du verzichtest, weil du denkst, es nicht zu dürfen oder zu sollen.

Hier eine kleine Beispielauswahl, damit du weißt, worauf ich hinaus will:

  • Ich möchte anerkannt und wertgeschätzt werden
  • Ich möchte meine Mittagspause alleine verbringen
  • Ich möchte einmal am Tag eine halbe Stunde nur für mich sein
  • Ich möchte wieder malen
  • Ich möchte mehr Zeit für Bewegung und Sport haben
  • usw.usf.

 

Selbstfürsorge ist also essentiell, um dich und deine Bedürfnisse ernst zu nehmen, um dir deine Kraft und Energie zu bewahren und um gesund zu bleiben.

Und zwar über die Grundbedürfnisse hinaus!

Genügend Schlaf, eine gesunde Ernährung, ausreichend frische Luft und Bewegung – dies alles zählt zu unseren Bedürfnissen als gesunder Mensch.

In meiner Arbeit mit überforderten energielosen Berufstätigen stelle ich immer wieder fest, dass sie verlernt haben, gut zu sich selbst zu sein. Sie erlauben es sich nicht mehr, auf ihren Körper, ihren Geist und ihre Seele zu achten.

So wie Christian* brauchen sie manchmal jemanden, der ihnen genau das wieder erlaubt (oder vielleicht zum ersten Mal überhaupt) und ihnen sagt: „Deine Bedürfnisse sind wichtig, sie zeigen dir, was du brauchst, um zufrieden und glücklich zu sein!“

 

 

Den eigenen Körper wieder zu spüren, achtsam auf die eigenen Befindlichkeiten zu hören, die eigenen individuellen Grenzen zu erkennen – all dies sind Voraussetzungen, um wieder gut schlafen zu können, voller Energie zu sein und nicht zuletzt: Lust auf Sex zu haben.

Und jetzt bist du an der Reihe: Wann hast du dir das letzte Mal wirklich ganz bewusst Zeit nur für deine eigenen Bedürfnisse genommen?

 

*Name geändert

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